Sonntag, 28. Dezember 2014

5. Akt, 1. Szene

Luise sitzt in einer finstren Ecke. Miller tritt ein und leuchet ängstlich im Zimmer herum, kann Luise aber nicht entdecken.

M: Hier ist sie auch nicht. Ich habe schon überall gesucht, aber sie ist nirgendwo. Ich muss geduldig sein und bis morgen warten. Vielleicht wird ihre Leiche dann ans Ufer gespült.
L: Lerne rechtzeitig zu verlieren.
M: Luise? Luise? Warum sitzt du denn da so einsam und ohne Licht?
L: Bei Dunkelheit kommen meine besten Besucher.
M: Gott bewahre dich! Nur Sünden und böse Geister scheuen das Licht!
L lässt M einen Brief lesen:
Du bist verratne, Ferdinand. Ein Streich zerriss den Bund unserer Herzen, ich musste einen Eid leisten, der mich zum Schweigen verpflichtete. Dein Vater hat überall Spione aufgestellt. Aber ich kenne einen dritten Ort, an den mich kein Ort mehr bindet und wo keiner lauscht. (Miller hält inne). Aber dafür musst du mutig sein, denn dort leuchten dir nur Gott und ich. Du musst nur deine Liebe mitbringen. (Miller legt den Brief zur Seite) Wo ist dieser dritte Ort?
L: Kennst du ihn nicht? Ich kenne kein schönes Ort. Der dritte Ort, guter Vater, ist das Grab.
M (geht schwankend zum Sessel): Oh mein Gott! Was hast du vor, meine Tochter? Willst du Suizid begehen?
L: Nenn es nicht so. Ich möchte nur zu einem besseren Ort. Ist das denn Sünde?
M: Selbstmord ist die abscheulichste aller Sünden, weil man sie nicht bereuen kann.
L: Doch. Ich werde in den Fluss springen und beim Hinuntersinken Goot um Erbarmen bitten.
M: Achte darauf, dass du Gott nicht verspottest! ... Hier ist ein Messer - durchstich dein Herz und damit auch meines! Wenn die Küsse Ferdinands heißer brennen als meine Tränen - stirb!
L zerreißt den Brief
L: Ich will am leben blieben. Doch lass uns weg gehen von hier, wo wir nur verspottet werden.
M: Wohin du nur willst.

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