Dienstag, 2. Dezember 2014

3. Akt, 5. + 6. Szene



L - Luise, W - Wurm

L: Wo bleiben denn meine Eltern? Mein Vater wollte schon längst zurück sein … Wenn ihm ein Unfall … Ich sollte mich nicht so ängstigen. Wenn man sich einmal erschreckt hat, so erscheint einem alles viel gruseliger.

W: Guten Abend.

L: Gott! Wer spricht da? Schrecklich! Suchen Sie etwa den Präsidenten? Er ist nicht mehr da.

W: Ich suche Sie.

L: Da muss ich mich ja wundern, dass Sie mich nicht am Pranger gesucht haben.

W: Sie haben einen falschen Verdacht. Ich komme, geschickt von Ihrem Vater.

L: Von meinem Vater? Wo ist mein Vater?

W: Wo er nicht gern ist. Im Turm.

L: Im Turm? Warum das denn?

W: Auf Befehl des Herzogs.

L: Des Herzogs?

W: Der die Verletzung der Majestät in der Person seines Stellvertreters auffällig bestraft.

L: Verletzung der Majestät … Und Ferdinand?

W: Wählt Lady Milford oder Fluch und Enterbung.

L: Eine entsetzliche Wahl! Doch ist er glücklicher. Er hat keinen Vater zu verlieren. Keinen haben ist zwar Verdammnis genug … Ein vorzügliches Verbrechen ist am Laufen. Wo ist meine Mutter?

W: Im Spinnhaus (Frauengefängnis).

L: Jetzt ist es vollkommen. Jetzt wäre ich frei von allen Pflichten, Tränen und Freuden. Und Vorsicht. All das brauche ich nicht mehr. Haben Sie noch eine Nachricht für mich? Jetzt können Sie mir alles sagen.

W: Sie wissen, was geschehen ist.

L: Also nicht, was noch kommen wird? Du treibst ein trauriges Handwerk, mit dem du nie selig werden wirst … Was kann noch geschehen?

W: Ich weiß es nicht.

L: Sie wissen es nicht? Ich sehe, dass sie noch etwas wissen. Sie sagten, der Herzog habe es auffallend bestraft? Was meinen Sie damit?

W: Fragen Sie nichts mehr.

L: Hör! Welches Schicksal erwartet meinen Vater?

W: Ein Prozess um Leben und Tod.

L: Ich danke Ihnen. (verlässt den Raum)

W: Sie wird doch wohl nicht abholen. (Will ihr folgen)

L (kommt zurück, hat einen Mantel geholt): Verzeihen Sie, aber ich muss weg.

W: Wohin denn?

L: Zum Herzog?

W: Was? Wohin?

L: Zu dem Herzog, der über den Tod meines Vaters urteilen lassen möchte. Nicht möchte, muss, weil einige Bösewichte das wollen.

W (lacht): Zum Herzog!

L:  Ich weiß nicht, worüber Sie lachen. Man muss ihm lehren, was Elnd ist.

W: Gehen Sie. Sie können nichts Sinnvolleres tun.

L: Was? Sie raten mir dazu?

W: Wenn Sie sich dem Herzog als Mätresse hingeben, wird er Ihren Vater freilassen.

L: Sterben kann ich für meinen Vater, aber sündigen nicht.

W: Mir sagte er: „Meine Luise hat mich hierher gebracht. Sie wird mich hier auch wieder herausholen.“ Ich werde ihm Ihre Nachricht überbringen.

L: Bleiben Sie! Was soll ich tun?

W: Auch Ihr Vater wünscht es. Schreiben Sie an den Henker Ihres Vaters:

Luise setzt sich.

„Gnädiger Herr, schon drei unerträgliche Tage sind vorüber und wir sahen uns nicht. Halten Sie sich an den Major, der den ganzen Tag über mich wacht.“

L: Nein, nein! Das ist tyrannisch! Macht was ihr wollt! Ich werde das nicht schreiben!

W: Wie Sie wollen.

Pause

L: Diktieren Sie weiter. Ich denke nichts mehr.

W: „Wir haben gestern den Präsidenten im Haus gehabt. Es war lustig, wie sich der Major um meine Ehre sorgte. Ich wurde ohnmächtig, damit ich nicht laut lachte. Aber diese Maske ist schlimm. Wenn ich nur fliehen könnte. Morgen hat er Dienst. Passen Sie ab, wann er von mir geht und kommen Sie an den bekannten Ort zu Ihrer zärtlichen Luise.“
L: Nun fehlt noch die Adresse.
W: „An Herrn Hofmarschall von Kalb.“
L: Nehmen Sie den Brief.
W: Ich bemitleide Sie.
L: Sie wünschen etwas Schreckliches,
W: Ich wünsche Ihre Hand.
L: Ich würde dich in der Brautnacht erdrosseln. Sind wir jetzt fertig?
W: Sie müssen noch schwören, immer zu sagen, dass Sie diesen Brief freiwillig verfasst haben.
 

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