L - Luise, W - Wurm
L: Wo bleiben denn meine Eltern? Mein Vater wollte schon
längst zurück sein … Wenn ihm ein Unfall … Ich sollte mich nicht so ängstigen.
Wenn man sich einmal erschreckt hat, so erscheint einem alles viel gruseliger.
W: Guten Abend.
L: Gott! Wer spricht da? Schrecklich! Suchen Sie etwa den
Präsidenten? Er ist nicht mehr da.
W: Ich suche Sie.
L: Da muss ich mich ja wundern, dass Sie mich nicht am
Pranger gesucht haben.
W: Sie haben einen falschen Verdacht. Ich komme, geschickt
von Ihrem Vater.
L: Von meinem Vater? Wo ist mein Vater?
W: Wo er nicht gern ist. Im Turm.
L: Im Turm? Warum das denn?
W: Auf Befehl des Herzogs.
L: Des Herzogs?
W: Der die Verletzung der Majestät in der Person seines
Stellvertreters auffällig bestraft.
L: Verletzung der Majestät … Und Ferdinand?
W: Wählt Lady Milford oder Fluch und Enterbung.
L: Eine entsetzliche Wahl! Doch ist er glücklicher. Er hat
keinen Vater zu verlieren. Keinen haben ist zwar Verdammnis genug … Ein
vorzügliches Verbrechen ist am Laufen. Wo ist meine Mutter?
W: Im Spinnhaus (Frauengefängnis).
L: Jetzt ist es vollkommen. Jetzt wäre ich frei von allen Pflichten,
Tränen und Freuden. Und Vorsicht. All das brauche ich nicht mehr. Haben Sie
noch eine Nachricht für mich? Jetzt können Sie mir alles sagen.
W: Sie wissen, was geschehen ist.
L: Also nicht, was noch kommen wird? Du treibst ein
trauriges Handwerk, mit dem du nie selig werden wirst … Was kann noch geschehen?
W: Ich weiß es nicht.
L: Sie wissen es nicht? Ich sehe, dass sie noch etwas
wissen. Sie sagten, der Herzog habe es auffallend bestraft? Was meinen Sie
damit?
W: Fragen Sie nichts mehr.
L: Hör! Welches Schicksal erwartet meinen Vater?
W: Ein Prozess um Leben und Tod.
L: Ich danke Ihnen. (verlässt den Raum)
W: Sie wird doch wohl nicht abholen. (Will ihr folgen)
L (kommt zurück, hat einen Mantel geholt): Verzeihen Sie,
aber ich muss weg.
W: Wohin denn?
L: Zum Herzog?
W: Was? Wohin?
L: Zu dem Herzog, der über den Tod meines Vaters urteilen
lassen möchte. Nicht möchte, muss, weil einige Bösewichte das wollen.
W (lacht): Zum Herzog!
L: Ich weiß nicht,
worüber Sie lachen. Man muss ihm lehren, was Elnd ist.
W: Gehen Sie. Sie können nichts Sinnvolleres tun.
L: Was? Sie raten mir dazu?
W: Wenn Sie sich dem Herzog als Mätresse hingeben, wird er
Ihren Vater freilassen.
L: Sterben kann ich für meinen Vater, aber sündigen nicht.
W: Mir sagte er: „Meine Luise hat mich hierher gebracht. Sie
wird mich hier auch wieder herausholen.“ Ich werde ihm Ihre Nachricht
überbringen.
L: Bleiben Sie! Was soll ich tun?
W: Auch Ihr Vater wünscht es. Schreiben Sie an den Henker
Ihres Vaters:
Luise setzt sich.
„Gnädiger Herr, schon drei unerträgliche Tage sind vorüber
und wir sahen uns nicht. Halten Sie sich an den Major, der den ganzen Tag über
mich wacht.“
L: Nein, nein! Das ist tyrannisch! Macht was ihr wollt! Ich
werde das nicht schreiben!
W: Wie Sie wollen.
Pause
L: Diktieren Sie weiter. Ich denke nichts mehr.
W: „Wir haben gestern den Präsidenten im Haus gehabt. Es war
lustig, wie sich der Major um meine Ehre sorgte. Ich wurde ohnmächtig, damit
ich nicht laut lachte. Aber diese Maske ist schlimm. Wenn ich nur fliehen
könnte. Morgen hat er Dienst. Passen Sie ab, wann er von mir geht und kommen
Sie an den bekannten Ort zu Ihrer zärtlichen Luise.“
L: Nun fehlt noch die Adresse.
W: „An Herrn Hofmarschall von Kalb.“
L: Nehmen Sie den Brief.
W: Ich bemitleide Sie.
L: Sie wünschen etwas Schreckliches,
W: Ich wünsche Ihre Hand.
L: Ich würde dich in der Brautnacht erdrosseln. Sind wir
jetzt fertig?
W: Sie müssen noch schwören, immer zu sagen, dass Sie diesen
Brief freiwillig verfasst haben.
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