Freitag, 12. September 2014

Analyse I.1 Kabale und Liebe



Die erste Szene des ersten Aktes aus dem Drama „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller, das 1784 uraufgeführt wurde, behandelt einen Dialog zwischen Herrn Miller, der sich über die Beziehung zwischen Ferdinand und seiner Tochter, Luise, aufregt und seiner Frau, die versucht, die Vorteile dieser Beziehung zu sehen und ihren Mann umzustimmen.





Herr und Frau Miller halten sich in ihrem Heim auf und diskutieren über die Beziehung zwischen Luise und Ferdinand, welche nach der Meinung von Herrn Miller, nur schlecht ausgehen könne. Frau Miller hingegen glaubt an eine wahre Liebe zwischen den beiden und sieht die Vorteile der Beziehung. Ihr Mann möchte seine Tochter aber nicht verkaufen und glaubt, dass der einzige Ausweg aus der Situation ein Gespräch mit Ferdinands Vater, dem Präsidenten ist.

Auf dieser ersten Szene baut das gesamte Drama auf. Luises und Ferdinands Beziehung wird durch zahlreiche Intrigen zerstört, auch, weil beide Väter gegen ihre Verbindung sind. Letztendlich begehen beide Suizid.



Der Leser/Zuschauer wird ohne Erklärungen mitten in die Handlung geleitet. Herr Miller geht schnell auf und ab, was seine rasende Wut untermalen soll. Dabei erklärt er, dass er dem Junker (Ferdinand) Hausverbot erteilen wird (S. 7, Z. 9-10), weil die Beziehung immer ernsthafter wird und die Leute schon über die beiden reden (S. 7, Z. 6-8). In diesem Gesprächsakt bringt er vor allem zum Ausdruck, dass er sich Sorgen um seinen Ruf macht (S.7, Z. 8-9).

Seine Frau hingegen erklärt ihm, dass er doch an der Beziehung nicht schuld sei (S.7, Z. 11-12). Hierbei bleibt sie ruhig, was ein deutlicher Kontrast zum Verhalten ihres Mannes ist und auch allgemein ihre Art widerspiegelt, sehr gelassen und unbesorgt zu sein.

Herr Miller erwidert, dass es niemanden interessiert, ob er schuld ist oder nicht (S.7, Z. 13-15), weil er die Beziehung sofort hätte beenden sollen (S.7, Z. 14-18). Damit zeigt er, dass er sich selbst die schuld für die Beziehung gibt. Dies lässt sich auch gut an der Anapher „ich“ erkennen. Mit dem parataktischem Satzbau werden seine Aussagen nochmals verstärkt. Weiter zeigt er, dass er sich für erfahren hält („das muss ich wissen“, Z. 19) und daher auch weiß, dass sich der Major (Ferdinand) ohne Probleme aus der Affäre ziehen kann, sodass alles Unglück über ihn kommt (S. 7, Z. 18-20).

Seine Frau jedoch betont nochmals, dass ihm nichts passieren kann, weil er ja nur seinem Beruf nachgehe (S. 7, Z. 21-24). Nebenbei schlürft sie eine Tasse Kaffee aus, womit sie nochmals ihre innere Ruhe und Unbesorgtheit demonstriert.

Miller aber fragt sie, was denn aus Beziehung werden solle. Ferdinand könne Luise weder zur Frau nehmen, noch möchte er, dass seine Tochter zu Prostituierten wird (S. 8, Z. 1-4). Mit dem Satz „Vom Nehmen ist gar die Rede nicht“ (S. 8, Z. 3) unterstreicht er, wie unmöglich eine Heirat der beiden ist und mit der Interjektion wird „Guten Morgen!“ (S. 8, Z. 4) unterstrichen, dass es für ihn eine unmögliche Vorstellung ist, dass seine Tochter zur Prostituierten oder Mätresse wird. Wie unmöglich beide Vorstellungen für ihn sind, wird auch den parataktischen Satzbau betont.

Auch stellt er fest, dass so einer wie Ferdinand, der schon viele Frauen hatte, sich über eine Jungfrau wie Luise sehr freuen würde (S. 8, Z. 4-8). Dies drückt er sprachlich mit einer Metapher aus (S.8, Z. 7-8), die noch einmal auf die Besonderheit der Jungfräulichkeit Luises für Ferdinand hinweisen soll.

Ferner gibt er seiner Frau zu denken, dass man auf die beiden gar nicht aufpassen kann, da Ferdinand immer ein Schlupfloch fände und Luise dann schwängern und verlassen würde, sodass ihr Ruf lebenslang zerstört ist und sie unverheiratet bleibt oder sie zur Mätresse würde (S. 8, Z. 8-15). Mit der Interjektion „Gib du Acht! Gib du Acht!“ (S.8, Z. 8) möchte er seiner Frau zeigen, dass sie aufpassen solle, was geschieht. Die Metapher in Z. 9-10 soll ihm nochmals zur Unterstreichung der Unmöglichkeit des Aufpassens auf die beiden dienen. Seine Christlichkeit, die so gar nicht zu der Möglichkeit, dass seine Tochter zur Mätresse wird, passt, betont er mit der Interjektion „Jesus Christus“ (S. 8, Z. 14-15). An seinem Schlag auf die Stirn lässt sich erkennen, dass er sich immer mehr in seine Wut hineinsteigert.

Daraufhin möchte auch seine Frau ihre Christlichkeit zeigen,Gott solle sie in Gnaden behüten (S. 8, Z. 16). Herr Miller fordert aber, dass sich Luise behütet und fragt, was wohl Ferdinands Absicht ist (S. 8, Z. 17-18). Dabei stellt er selber fest, dass es ihm nur um Luises Aussehen gehen kann. Diese Absicht scheint er selber gut zu kennen („Mensch ist Mensch. Das muss ich wissen.“, S.8, Z. 26-27) und kann es Ferdinand auch nicht übel nehmen (S. 8, Z. 18-27).

Mit dem Bezeichnung „Windfuß“ (S.8, Z. 17) für Ferdinand möchte er betonen, dass er Ferdinand noch nicht als vollen Mann wahrnimmt, sondern dieser noch vom Wind getrieben wird. Dies zeigt er auch noch mal mit dem Vergleich zu einem Admiral (S. 8, Z. 23-25).

Seine Frau erwidert daraufhin, dass Herr Miller, würde er nur Ferdinands Liebesbriefe an Luise lesen, erkennen würde, dass er Luise liebt und es ihm nur um diese geht (S. 9, Z. 1-4). Hier wird sie selber schwärmerisch, wohl auch, durch den eigenen Wunsch nach mehr Zuneigung und Liebe von ihrem Mann.

Herr Miller erklärt darauf wortgewandt, dass Poesie letztendlich nur ein Mittel sei,um eine Frau für sich zu gewinnen, dass er selbst schon angewandt hat (S. 9, Z. 5-12). Seine Ansicht betont er mit zahlreichen Metaphern, z.B. „Auf den Sack schlägt man; den Esel meint man.“ (S.9, Z. 5-6). Hiermit meint er, dass Ferdinand nur so tut, als würde er Luise lieben, aber eigentlich nur ihre Jungfräulichkeit bzw. ihren Körper möchte. Dasselbe drückt auch „Wer einen Gruß an das liebe Fleisch zu bestellen hat, darf nur das gute Herz Boten gehen lassen.“ (S. 9, Z. 6-8).

Seine Frau widerspricht ihm und verweist auf die Bücher, die von ihm stammen, und aus den Luise betet (Z. 13-15). Hiermit möchte sie darauf aufmerksam machen, dass Ferdinand Luises Frömmigkeit fördert, welche Herrn Miller sehr wichtig ist.

Herr Miller macht seiner Frau daraufhin klar, dass sie keine Ahnung vom Beten hat (S. 9, Z. 16). Zudem erklärt er nochmals sehr sarkastisch, dass Ferdinand seiner Meinung nach noch kein voller Mann ist (S. 9, Z. 16-20). Dies zeigt er mit einer Metapher: „Die rohe Kraftbrühen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch zu hart. – Er muss sie erst in der höllischen Pestilenzküche der Bellatristen künstlich aufkochen lassen.“ Hier lassen sich gleich zwei Antithesen erkennen, einmal den Widerspruch von „Natur“ (S. 9, Z. 17) und „künstlich“ (S. 9, Z. 19) sowie den von Himmel und Hölle („Betet“, S. 9, Z. 16, „höllisch“, S. 9, Z. 19, „Feuer“, S.9, Z. 20, 25, „überhimmlisch“, S. 9, Z. 21, „Handvoll Christentum“, S. 9, Z. 23, „Teufelszeug“, S. 10, Z. 1, „Schlaraffenwelt“, S. 10, Z. 2). Auch hiermit möchte Miller zeigen, dass für ihn einerseits die Natürlichkeit der Dinge, zu der für ihn auch die getrennten Stände gehören, andererseits die Christlichkeit sehr bedeutend sind. Es ist aber auch erkenntlich, dass er „Gott“ und „Religion“ nur als Vorwand nutzt.

Mit den beiden Sätzen macht er seine Meinung zur Poesie und Literatur nochmals deutlich, vor allem, dass ein vernünftiger Mann auch ohne diese eine Frau gewinnen kann.

Herr Miller beschwert sich, dass sich Luise sehr viel Unsinn in den Kopf setze und sich schäme, dass er ihr Vater sei. Letztendlich würde sie ihm so einen vernünftigen Schwiegersohn vertreiben, der auch gut für sein Geschäft gewesen wäre, dieses vielleicht sogar übernommen hätte. Nun wolle er Ferdinand befehlen, so schnell wie möglich das Haus zu verlassen (S. 9, Z. 25 – S.10, Z. 9). In dieser Zeit hat er sich so in seine Wut hineingesteigert, dass er nun hitzig aufspringt (S. 10, Z. 7) und weg möchte (S., 10, Z. 10).

Seine Frau befiehlt ihm, ruhig zu bleiben und erinnert ihn an die (materiellen) Vorteile der Beziehung zwischen Ferdinand und Luise (S. 10, Z.11-12), doch Herr Miller unterbricht sie mitten im Satz und erklärt ihr, dass er um Essen betteln würde, als seine Tochter zu verkaufen. Sie solle aufhören, Kaffee zu trinken und Tabak zu rauchen und er sei auch satt geworden, bevor Ferdinand eine Beziehung zu Luise begonnen hätte (S. 10, Z. 13-25). Hiermit drückt er aus, dass er seiner Frau mittlerweile zumindest eine Teilschuld gibt, da sie ihm nichts von der Beziehung erzählt hat und diese nur zu ihrem persönlichen Vorteil nutzt, was auch gut an dem Satz „Schier dich zum Satan, infame Kupplerin“ (S. 10, Z. 14-15) erkennen ist.

Sie erwidert darauf jedoch, dass er sich nicht so aufregen soll und sie ja nur meine, dass man Ferdinand nicht vor den Kopf stoßen müsse, nur weil er der Sohn des Präsidenten sei (S. 10, Z. 26 – S. 11, Z. 2). Hier verwendet sie das schwäbisch ausgesprochene, aber französische Wort „disguschtüren“, womit sie ihre feine Bildung ausdrücken möchte und wohl auch ihrem dominanten Mann beweisen möchte, dass sie etwas zu sagen hat und nicht dumm ist.

Miller antwortet ihr, dass doch genau das der Punkt sei und diese Beziehung noch heute getrennt werden müsse. Der Präsident würde ihm danken, wenn er ein vernünftiger Vater sei und sie solle ihm seine feine Sachen fertig machen. Er würde sich dann beim Präsidenten anmelden lassen und diesem erklären, dass sein Sohn ein Auge auf Luise habe, dieser aber zu schlecht sei, um Ferdinands Frau zu werden, aber zu gut, um seine Prostituierte zu werden. Das sei es (S. 11, Z. 3-12).

Zum Abschluss dieser Szene zeigt Miller noch mal deutlich seine Ablehnung gegenüber der Beziehung zwischen Ferdinand und Luise und macht nochmals klar, dass keine Möglichkeit für die Fortführung dieser bestehe. Mit der Aussage „Dero Herr Sohn“ zeigt er seine Ablehnung gegenüber den Adel, was auch gut zu seinem letzten Satz „Ich heiße Miller“ passt, das dieser seinen bürgerlichen Stolz zeigen soll.



Mit dieser ersten Szene der Tragödie „Kabale und Liebe“ schafft es Friedrich Schiller, in sein Drama einzuführen und macht von Anfang an die eher unterschiedlichen Positionen von Luises Eltern über die Beziehung zwischen Ferdinand und Luise deutlich. So sieht Frau Miller vor allem ihre persönlichen, materiellen Vorteile dieser Beziehung, gönnt ihrer Tochter aber auch die Liebe, die sie sich selber wünscht. Herr Miller hingegen sieht vor allem die Irrealität dieser Beziehung, die durch die damaligen Stände nicht zu seiner Befriedigung geführt werden kann. In dem Gespräch der beiden kann man erkennen, dass er sehr impulsiv und aufbrausend ist, aber auch sehr besorgt um seine Tochter. Immer wieder spricht er von christlichen Werten, die er auch als Vorwand nutzt.

So lernt der Leser/Zuschauer bereits in der ersten Szene zahlreiche Charaktereigenschaften von Herrn und Frau Miller kennen und erhält eine Einführung in die allgemeine Situation sowie die Einstellungen zweier Charaktere zu dieser.

Letztendlich lässt sich bereits hier eine leichte Kritik Schillers an der Ständeordnung erkennen, da diese es zwei sich Liebenden verbietet, eine Beziehung und daraus resultierende Ehe zu führen. Dies lässt sich auch an Millers Stolz, ein Bürger zu sein, und seiner Ablehnung gegenüber dem Adel erkennen.

Anmerkungen: Eine Analyse solchen Ausmaßes ist in einer normalen Klausur nicht zu schaffen. Die sprachlichen Mittel müssten teilweise genauer gedeutet werden. Den Einleitungssatz sollte man möglichst in zwei teilen. Die Kontextualisierung ist nicht vorhanden (hier müsste ein Ausblick auf die 2. Szene erfolgen).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen