Das
vorliegende Historikerurteil von Karl Dietrich Erdmann aus seinem
Buch „Der Erste Weltkrieg“ wurde 1980 in München veröffentlicht
und richtet sich an das historische Fachpublikum. Inhaltlich
beurteilt er die Kriegsschuld des ersten Weltkrieges anhand des
Friedenswillens der Länderregierungen.
Erdmann
erläutert, dass die Kriegsschuld anders zu beurteilen ist, wenn man
die Frage nach dem Friedenswillen der einzelnen Länderregierungen
stellt und erkennt, dass zwar keine den ersten Weltkrieg wollte, aber
auch keine alles daransetzte einen Krieg zu verhindern bzw. Frieden
zu stiften.
In
seinem vorliegenden Historikerurteil stellt Erdmann die These auf,
dass alle am ersten Weltkrieg beteiligten Länderregierungen an
diesem Schuld sind, da sie nicht versucht haben, eine friedliche
Einigung herbeizuführen (vgl. Z. 1-6).
Er
räumt aber eine, dass einige Länderregierungen, für die er
Beispiele nennt (vgl. Z. 16-21), versuchten, Frieden zu stiften,
letztendlich aber keine bereit war, alles daranzusetzen, einen Krieg
zu verhindern (vgl. Z. 6-11). Ferner erläutert er, dass keine
Regierung einen Weltkrieg wollte (vgl. Z. 14f).
Diesen
mangelnden Einsatz der Länder beim Versuch der Friedensstiftung
begründet er damit, dass sie sich vor allem von ihrem eigenen
Interesse leiten ließen und daher versuchten, traditionelle Ziele
umzusetzen (vgl. Z. 9-14). Zudem hätten alle Länder das Risiko
eines Weltkrieges gesehen, egal, wie sie sich verhalten hätten (vgl.
Z. 15f).
Der
vorliegende Text setzt sich mit den Ursachen für den Ausbruch des
Ersten Weltkrieges im August 1914 auseinander. Hierbei wird die
Kriegsschuld, die normalerweise vor allem Österreich, aber auch
Deutschland, zugeschrieben wurde, da beide unbedingt einen Krieg
beginnen wollten, dem mangelnden Friedenswillen der einzelnen,
beteiligten Länderregierungen zugeschrieben. Jedoch führte eine
Vielzahl verschiedener Faktoren zum Ausbruch des ersten Weltkrieges.
Mit
dem vorliegenden Urteil versucht Erdmann seine Leser davon zu
überzeugen, dass die Kriegsschuld nicht (allein) bei Österreich und
Deutschland liegt, sondern bei allen teilnehmenden Staaten. Hiermit
versucht er die Schuld von den beiden genannten Ländern
wegzuschieben.
Dieses
Urteil ist als Verteidigung seines Herkunftslandes durchaus
nachvollziehbar, zumal es zu einer Zeit verfasst wurde, in der
Deutschland sich selbst nicht mehr unbedingt als „böse“
darstellen musste.
Jedoch
ist seine Argumentation monokausal geprägt und daher nicht
überzeugend, da er nicht versucht verschiedene Ursachenmöglichkeiten
miteinander zu vergleichen und zu diskutieren, welche abschließend
als wahrscheinlichste Ursache anzusehen ist. Zudem stützt er seine
These nicht durch Argumente, welche diese glaubwürdiger machen
würden. So wirkt seine These mehr wie eine Behauptung.
Insgesamt
wirkt Erdmanns These also wie eine Behauptung und ist kaum gestützt.
Jedoch ist zu beachten, dass das vorliegende Historikerurteil nur
eine kurzer Abschnitt aus seinem Buch ist und es daher möglich ist,
dass seine These im Laufe des Buches gestützt und glaubhaft
dargestellt wird.
Aus
heutiger Sicht spielt Erdmanns These bei den verschiedenen
Kriegsursachen eine Rolle, kann jedoch alleinestehend nicht als
Kriegsursache gewertet werden, sondern nur als ein weiterer Faktor,
der zum Kriegsausbruch geführt hat. Denn letztendlich wurde der
Erste Weltkrieg vor allem durch ein unglückliches Zusammenspiel
verschiedener internationaler Ursachen ausgelöst. Dazu gehört unter
anderem der absolute Wille Österreichs einen Krieg zu beginnen, der
unter dem Punkt Kriegsauslöser verbucht werden muss. Zudem hatte
sich die Stimmung in Europa innerhalb der vorherigen Jahre so stark
angespannt, dass es in absehbarer Zeit zu einer Explosion dieser
Spannung in Form eines Krieges kommen musste. Diese beiden Ursachen
sollen nur exemplarisch genannt werden, es gibt hunderte verschiedene
Erklärungsansätze, diese beiden sind jedoch die wohl
verbreitetsten.
Nun
mag Erdmann mit seiner These recht haben, jedes Land hätte sich für
den Frieden einsetzen können. Leider ist aus seinem Urteil nicht
hervorgegangen, inwiefern die einzelnen Länder zu sehr von ihren
eigenen Interessen geleitet wurden, um einen Krieg zu verhindern bzw.
Frieden zu stiften, weshalb zu diesem Thema wichtige Information
fehlen. Jedoch muss festgehalten werden, dass es für ein einzelnes
Land sehr schwer gewesen wäre, alleine Frieden zu stiften, vor
allem, wenn es zu diesem Zeitpunkt keine Weltmacht war, da jedes Land
mit zu hohen Verlusten und einem Angriff des kriegslüsternen
Bündnisses aus Österreich und Deutschland rechnen musste.
Insgesamt
lässt sich nicht „die eine“ Ursache für den Ausbruch des Ersten
Weltkrieges herauskristallisieren. Vielmehr ist von einem
Zusammenspiel verschiedener Ursachen auszugehen. Jedoch wirkt
Erdmanns These bezüglich der Ursache für den Ersten Weltkrieg
äußerst schwammig und lässt sich leicht entkräften, da andere
vermutete Ursachen durch um einiges schwerwiegendere Argumente
gestützt werden können.
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