Freitag, 15. Mai 2015

Analyse "Kriegsschuld" (K. Erdmann: Der Erste Weltkrieg)

Das vorliegende Historikerurteil von Karl Dietrich Erdmann aus seinem Buch „Der Erste Weltkrieg“ wurde 1980 in München veröffentlicht und richtet sich an das historische Fachpublikum. Inhaltlich beurteilt er die Kriegsschuld des ersten Weltkrieges anhand des Friedenswillens der Länderregierungen.

Erdmann erläutert, dass die Kriegsschuld anders zu beurteilen ist, wenn man die Frage nach dem Friedenswillen der einzelnen Länderregierungen stellt und erkennt, dass zwar keine den ersten Weltkrieg wollte, aber auch keine alles daransetzte einen Krieg zu verhindern bzw. Frieden zu stiften.
In seinem vorliegenden Historikerurteil stellt Erdmann die These auf, dass alle am ersten Weltkrieg beteiligten Länderregierungen an diesem Schuld sind, da sie nicht versucht haben, eine friedliche Einigung herbeizuführen (vgl. Z. 1-6).
Er räumt aber eine, dass einige Länderregierungen, für die er Beispiele nennt (vgl. Z. 16-21), versuchten, Frieden zu stiften, letztendlich aber keine bereit war, alles daranzusetzen, einen Krieg zu verhindern (vgl. Z. 6-11). Ferner erläutert er, dass keine Regierung einen Weltkrieg wollte (vgl. Z. 14f).
Diesen mangelnden Einsatz der Länder beim Versuch der Friedensstiftung begründet er damit, dass sie sich vor allem von ihrem eigenen Interesse leiten ließen und daher versuchten, traditionelle Ziele umzusetzen (vgl. Z. 9-14). Zudem hätten alle Länder das Risiko eines Weltkrieges gesehen, egal, wie sie sich verhalten hätten (vgl. Z. 15f).
Der vorliegende Text setzt sich mit den Ursachen für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 auseinander. Hierbei wird die Kriegsschuld, die normalerweise vor allem Österreich, aber auch Deutschland, zugeschrieben wurde, da beide unbedingt einen Krieg beginnen wollten, dem mangelnden Friedenswillen der einzelnen, beteiligten Länderregierungen zugeschrieben. Jedoch führte eine Vielzahl verschiedener Faktoren zum Ausbruch des ersten Weltkrieges.

Mit dem vorliegenden Urteil versucht Erdmann seine Leser davon zu überzeugen, dass die Kriegsschuld nicht (allein) bei Österreich und Deutschland liegt, sondern bei allen teilnehmenden Staaten. Hiermit versucht er die Schuld von den beiden genannten Ländern wegzuschieben.
Dieses Urteil ist als Verteidigung seines Herkunftslandes durchaus nachvollziehbar, zumal es zu einer Zeit verfasst wurde, in der Deutschland sich selbst nicht mehr unbedingt als „böse“ darstellen musste.
Jedoch ist seine Argumentation monokausal geprägt und daher nicht überzeugend, da er nicht versucht verschiedene Ursachenmöglichkeiten miteinander zu vergleichen und zu diskutieren, welche abschließend als wahrscheinlichste Ursache anzusehen ist. Zudem stützt er seine These nicht durch Argumente, welche diese glaubwürdiger machen würden. So wirkt seine These mehr wie eine Behauptung.
Insgesamt wirkt Erdmanns These also wie eine Behauptung und ist kaum gestützt. Jedoch ist zu beachten, dass das vorliegende Historikerurteil nur eine kurzer Abschnitt aus seinem Buch ist und es daher möglich ist, dass seine These im Laufe des Buches gestützt und glaubhaft dargestellt wird.

Aus heutiger Sicht spielt Erdmanns These bei den verschiedenen Kriegsursachen eine Rolle, kann jedoch alleinestehend nicht als Kriegsursache gewertet werden, sondern nur als ein weiterer Faktor, der zum Kriegsausbruch geführt hat. Denn letztendlich wurde der Erste Weltkrieg vor allem durch ein unglückliches Zusammenspiel verschiedener internationaler Ursachen ausgelöst. Dazu gehört unter anderem der absolute Wille Österreichs einen Krieg zu beginnen, der unter dem Punkt Kriegsauslöser verbucht werden muss. Zudem hatte sich die Stimmung in Europa innerhalb der vorherigen Jahre so stark angespannt, dass es in absehbarer Zeit zu einer Explosion dieser Spannung in Form eines Krieges kommen musste. Diese beiden Ursachen sollen nur exemplarisch genannt werden, es gibt hunderte verschiedene Erklärungsansätze, diese beiden sind jedoch die wohl verbreitetsten.
Nun mag Erdmann mit seiner These recht haben, jedes Land hätte sich für den Frieden einsetzen können. Leider ist aus seinem Urteil nicht hervorgegangen, inwiefern die einzelnen Länder zu sehr von ihren eigenen Interessen geleitet wurden, um einen Krieg zu verhindern bzw. Frieden zu stiften, weshalb zu diesem Thema wichtige Information fehlen. Jedoch muss festgehalten werden, dass es für ein einzelnes Land sehr schwer gewesen wäre, alleine Frieden zu stiften, vor allem, wenn es zu diesem Zeitpunkt keine Weltmacht war, da jedes Land mit zu hohen Verlusten und einem Angriff des kriegslüsternen Bündnisses aus Österreich und Deutschland rechnen musste.

Insgesamt lässt sich nicht „die eine“ Ursache für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges herauskristallisieren. Vielmehr ist von einem Zusammenspiel verschiedener Ursachen auszugehen. Jedoch wirkt Erdmanns These bezüglich der Ursache für den Ersten Weltkrieg äußerst schwammig und lässt sich leicht entkräften, da andere vermutete Ursachen durch um einiges schwerwiegendere Argumente gestützt werden können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen