Montag, 29. September 2014

Kabale und Liebe in moderner Sprache: 1. Akt, 3. Szene

L - Luise, M - Miller, F - Frau

L: Guten Morgen, lieber Vater.
M: Brav, Luise. Es freut mich, dass du so fleißig an deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so und sein Arm wird dich halten.
L: Ich bin eine schwere Sündnerin, Vater. War er da, Mutter?
F: Wer?
L: Ich vergaß, dass es außer ihm noch Menschen gibt. War von Walter nicht da?
M: Ich dachte, den Namen hättest du in der Kirche gelassen.
L: Ich verstehe ihn (Gott), ich fühle sein Messer an meinem Gewissen, aber es kommt zu spät. Der Himmel und Ferdinand reißen an meiner Seele. Aber wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn selbst übersehen macht, Vater, muss Gott das nicht ergötzen?
M: Da haben wir´s. Das Ergebnis des gottlosen Lesens!
L: Wo er jetzt wohl ist? Ich bin ein schlechtes, vergessens Mädchen. Er verzeih mir! Ich beweine mein Schicksal nicht, ich will ja nur an ihn denken. Wenn sich die Mücke in ihren Strahlen sonnt, kann sie das strafen, die majestätische Sonne?
M: Ich gäb alles hin, hättest du Ferdinand nie gesehen.
L: Was sagt er da? Nein! Er meint es anders! Er wird nicht wissen, dass Ferdinand mein ist, mir geschaffen, zur Freude vom Vater der Liebenden. Als ich ihn das erste Mal sah, wusste ich: Er ist´s, er, der mir immer fehlte. Die Welt war schön. Ich wusste von keinem Gott mehr, un doch hatt´ich ihn so geliebt.
M: Luise, nimm alles, den Major, Gott ist mein Zeuge, ich kann ihn dir nimmer geben.
L: Aber ich will ihn jetzt nicht. Ich entsag ihm für dieses Leben. Dann, wenn die Schranken zwischen Adel und Bürgertum nicht mehr gibt, Menschen nur Menschen sind, wenn Gott kommt, werde ich reich sein, denn dort rechnet man Tränen für Triumphe und schöne Gedanken für Ahnen an. Ich werde dann vornehm sein, was hätte er mir dann noch voraus?
F: Luise, der Major, wo verberg ich mich nur?
L: Bleib doch, Mutter!
F: Wie seh ich denn aus? Ich muss mich ja schämen vor dem Major!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen